Das Bahnsteigende
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Es ist etwas magisches in der Zeit, in der ich eigentlich schon hätte aufbrechen müssen um pünktlich zu kommen. Es ist so etwas wie eine Zwischenwelt, neben dem hier und dem da, und damit fallen alle Erwartungen ab, die dem hier anlasten, und hat jene die man dem da zuschreibt noch nicht aufgenommen.
Als ich neulich durch eine Folge schlechter Entscheidungen meinerseits, sowie der Verkehrspolitik der 90er Jahre Nachts mehrere Stunden am Kölner Hauptbahnhof verbringen musste, fühlte ich eine ähnliche Erwartungslosigkeit. Es war jedoch nicht der Zug, der wie ich die Zeit genoss, die er eigentlich schon hätte losfahren müssen, und diese wie ein König in die länge zog. Nein, das reichte nicht, diese unfreiwillige Freiheit blieb mir immer zu widersprüchlich um sie richtig zu genießen. Das Gefühl hatte seinen Ursprung viel mehr in dem Ort, an dem ich diese Stunden verbrachte; dem Bahnsteigende, diesem zauberhaften Ort zwischen Stadt und Transit. Am Ende des Bahnsteiges holt sich die Natur den Asphalt soweit zurück, wie sich der Asphalt die Natur zurückholt. Um mich herum ist die Stadt, aber ich bin kein Teil davon, es fahren Züge auf mich zu, und an mir vorbei. Es ist nichts ganz und alles ein bisschen.
Und hier überholt mich wieder diese angenehme Erwartungslosigkeit. An dieser zum Ort gewordenen Pause, die einen gerade so ehrlich und wirklich überkommt, weil die Bewegung zum Greifen nahe bleibt, verbringe ich dann Stunden.
Ein ähnlicher Ort ist der, an dem man die anfangs genannten Momente verbringt, die, in denen man losfahren sollte, losgehen wollte, oder versucht hat zu starten, die Bettkante. In dieser absoluten Vertrautheit kommt es wieder zu einer Zwischensituation, Tag und Nacht, Arbeit und Pause.
Wenn man sich dem bewusst wird, sind diese Orte und Momente (in diesem Fall zwei äußerst verflochtene Begriffe) eine mächtige Möglichkeit sich bewusst zu werden, d.h. im Wald der Erwartungen einmal kurz durch die Blätter in die Sonne zu schauen, tief durchzuatmen, um dann weiterzugehen.