Green seven 8 - Das Ende der Reise
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Hallo ihr alle! Es ist jetzt schon eine Weile her, und die Berge sind immer weiter weg, und ich habe schon überlegt, ob ich diesen letzten Eintrag noch schreibe. Aber dann war es allein die Erinnerungshilfe, die er für mich sein kann, was mich doch dazu verleitet hat. Und vielleicht wartet ja doch die oder der eine oder andere auf ein paar abschließende Worte.
Am Ende des letzten Blogs waren wir auf dem Weg zum Großglockner, aber in Wirklichkeit lag ich in einem Bett am Fuße des Triglav und habe wieder umständlich versucht, mit schlechtem Internet den Blog richtig zu formatieren.
Der Weg zum Großglockner war immer noch ein Segen; ab dem Brenner gab es keinen Kilometer mehr, der uns fahrradtechnisch wirklich genervt hat. Wir hatten eine gute, recht ereignislose Zeit bis zum Fuß des Glockners, dem Lucknerhaus. An die Etappen hatten wir uns mittlerweile gewöhnt, ebenso an die allmorgendlichen Stunden, in denen man dem Körper erst einmal die Hoffnung nach Pause herausfahren muss. Am Lucknerhaus fanden wir uns dann mal wieder mit einigen Freunden zusammen; Julius hatte noch einmal den langen Weg von Wuppertal auf sich genommen, um im besten Fall die letzten beiden Gipfel mit uns zu machen, und fast die ganze Crew vom Paradiso genoss eine – für den Geschmack von Nino und mir – deutlich zu dekadente Nacht im Lucknerhaus. Am nächsten Tag sind wir dann zusammen auf die Erzherzog-Johann-Hütte aufgestiegen, die höchste Hütte Österreichs, nur 300 Hm unter dem Gipfel, um am Morgen des darauffolgenden Tages den Gipfel zu besteigen.
Der Gipfel des Großglockners ist von der Erzherzog-Johann-Hütte (auch Adlersruhe) quasi nur noch der Gipfelgrat. Ein steiles Mixed-Gelände, das heißt Schnee, Eis und Fels, das jedoch gut mit Stangen versichert ist. Über weite Strecken steckt alle paar Meter eine Eisenstange im Boden, um die man dann in einer Seilschaft das Seil wickeln kann, um den Totalabsturz zu verhindern (Totalabsturz heißt hier, dass man trotzdem wirklich nicht fallen möchte, aber im Falle eines Sturzes sicherlich nicht die ganze Seilschaft in den Tod reißt). Der Aufstieg verlief sehr flüssig und war eigentlich ein Genuss. Beim Glockner hängt dies eigentlich einzig davon ab, wie viele Leute um dich herum sind; bist du in einem falschen Zeitslot, kannst du dich bei den Mengen gar nicht mehr umdrehen: alles ist Stress, nichts vergnügt. Im Aufstieg waren wir die Letzten von der Adlersruhe und trotzdem früher als die Stüdlhütte etwas weiter unten, sodass wir bis zum Gipfel außer ein bisschen Gegenverkehr quasi allein waren. Das änderte sich jedoch mit dem Abstieg: Weil wir auf zwei in dem Gelände etwas unsichere Freunde warteten, die wir ein bisschen unterstützten und hier und da abseilten, brauchten wir dementsprechend lange und wurden von immer mehr Leuten von der Stüdlhütte überholt. Ehe wir uns versahen, waren wir mitten im Gipfelzirkus, der sich jeden Tag am Glockner abspielt. Übrigens sind hier neben den völligen Pfeifen oft die Bergführer*innen am anstrengendsten, weil sie wirklich gar nichts kennen und sich mit einer Sturheit und Dreistigkeit an einem vorbeidrängen, die ihresgleichen sucht. Da wir fast ausschließlich auf solchen „Bergführerbergen“ waren, hatten wir danach einen kleinen Hass auf dieses Phänomen und haben uns geschworen, unsere nächsten Touren auf Routen zu machen, die entweder zu schwierig oder zu uninteressant sind, um von Bergführern angeboten zu werden.
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Außer diesem Zwischenfall hat dann jedoch alles gut funktioniert, und wir sind erst zu Fuß und dann mit dem Fahrrad 3000 Hm vom Gipfel ins Tal abgestiegen, um dort ein paar Stunden mehr auf dem Campingplatz zu genießen. Am nächsten Tag ging es dann mit 10 km Umweg – zum absoluten Leidwesen eines grimmigen Philipps – zum Weißensee, um ein letztes Mal gemeinsam Zeit in der großen Gruppe zu verbringen. Das Wetter am Triglav zeichnete sich nämlich von Tag zu Tag als schlechter ab, sodass nur Philipp, Nino und ich die Flexibilität und Motivation hatten, ein Wetterfenster abzupassen. Es ist nicht mehr so viel zu den letzten Tagen des Projekts zu sagen: Wir genossen das nahende Ende, aber auch das wunderbare Slowenien, die guten Fahrradwege und – nach einem wetterbedingten (dieses Mal wirklich) Restday – auch die Besteigung des Triglav über den Bamberger Weg, den wohl schwersten der vielen Klettersteige, die in den Berg hineingesetzt wurden. Eine Wohlfühltour bei gutem Wetter zum Ende unserer Aktion.
Das Projekt hat uns einiges abverlangt, und es wäre gelogen zu sagen, dass wir nicht stolz darauf seien, alles geschafft zu haben. Allein das Wetterglück muss uns erst einmal jemand nachmachen, geschweige denn die Koordination mit unseren Freunden und zu guter Letzt auch einfach die sportliche Leistung unsererseits! Wir mussten so gut wie alle Register unserer Bergsteigerkompetenzen ziehen und sind in all diesen Facetten in den vier Wochen über uns hinausgewachsen. Wir haben einmal gesagt, die Tour sei unser „Meister-“ – oder vielleicht ein bisschen ehrlicher und bescheidener – „Gesellenstück des Bergsteigens“. Auch die Verbindung zu dem sozialen Event, das es immer wieder war, hat auf ganzer Strecke funktioniert und uns ganz viel gegeben.
Es sind aber auch mühsame Dinge hängengeblieben, und mit Abstand die meisten davon wurden durch die Popularität der gewählten Berge hervorgerufen. Ich habe es schon immer anklingen lassen – ob ich im Liechtenstein-Blog über die „Kategorie der Städter“ geschrieben habe oder hier, nur ein paar Sätze zuvor, von den Nachteilen der „Bergführerberge“ berichtete –, mit dem Interesse der Allgemeinheit kommt leider so viel Schlechtes zu einem Berg und der Struktur drumherum, und es geht so vieles verloren, dass wir davon recht schnell genug hatten. Ich würde allen, die sich von dem Wunsch befreien können, die „höchsten“ zu besteigen (Chapeau!), auf jeden Fall raten, sich – vielleicht mit Ausnahme von Liechtenstein – andere Berge herauszusuchen. Ich darf jetzt im Anschluss noch eine Reportage für das DAV-Panorama schreiben und werde auch darin gebeten, zugängliche Alternativen zu geben; da werden diese Gedanken wahrscheinlich mehr ausgeführt.
Ansonsten vielen Dank euch allen, es war mir eine Freude, euch ein bisschen mitzunehmen, und ein gutes Gefühl, gelesen zu werden. Ich werde hier weiterschreiben – erst einmal über weniger aufregende, aber dafür wahrscheinlich nähere Themen. Vielleicht hat ja die eine oder der andere Lust, ab und zu reinzuschauen.
Bis bald, Euer Henri